Auszug aus:

Das Humanistische Dokument

2. Die Formale und die reale Demokratie

Das Gebäude der Demokratie hat ernsthaften Schaden erlitten. Sein Fundament hat Risse bekommen. Seine drei großen Stützpfeiler - die Gewaltenteilung, die Repräsentativität und die Achtung der Minderheiten - tragen es weniger denn je.

Die Gewaltenteilung hat nur in der Theorie Bestand. In der Praxis ist sie ein Widerspruch in sich. Es reicht aus, den Ursprung und die Zusammensetzung der einzelnen Komponenten zu untersuchen, um festzustellen, dass sie eng miteinander verwoben sind. Das kann auch gar nicht anders sein, da sie ein und demselben System angehören. So entsprechen die häufig auftretenden Konflikte wie Korruption, Ämterhäufung bzw. Überschneidung von Funktionen, Unregelmäßigkeiten und Skandale der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Situation eines gegebenen Landes.

Was die Repräsentativität angeht, so ging man seit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts davon aus, dass sich ein einziger Vorgang zwischen der Wahl und dem Mandatsabschluss der Volksvertreter abspielt. Aber mit der Zeit wurde deutlich, dass hier zwei voneinander unabhängige Vorgänge ablaufen: ein erster, in dem sehr viele einige wenige wählen, und ein zweiter, davon getrennter, in dem diese wenigen die vielen verraten, indem diese Mandatsträger mandatsferne Interessen vertreten. Die Wurzel dieses Übels liegt schon in den politischen Parteien, die nur noch aus Parteiführung und Spitzenpolitikern bestehen, die von den Bedürfnissen des Volkes weit entfernt sind. In der Parteimaschinerie finanziert die Lobby die Kandidaten und bestimmt deren politischen Kurs. All das zeigt eine tiefe Krise im Konzept und in der Verwirklichung der Repräsentativität.

 

Die Humanisten kämpfen für ein neues Modell der Repräsentativität, in dem Volksbefragungen, Volksentscheide und die Direktwahl von Kandidaten höchste Bedeutung besitzen. Tatsächlich existieren in zahlreichen Ländern noch Gesetze, durch die unabhängige Kandidaten gegenüber den politischen Parteien benachteiligt werden oder ihnen durch fadenscheinige Vorwände oder finanzielle Auflagen erschweren, sich der Wahl durch das Volk zu stellen. Verfassungen oder Gesetze, die sich dem aktiven oder passiven Wahlrecht der Bürger widersetzen, hintergehen die Wurzeln der realen Demokratie, die eigentlich über jeder gesetzlichen Regelung stehen sollte. Und wenn es darum geht, eine Chancengleichheit zu verwirklichen, müssen sich die Medien während der Wahlperioden in den Dienst der Bevölkerung stellen und allen Kandidaten die gleichen Möglichkeiten einräumen, ihre Vorschläge vorzustellen. Außerdem müssen Gesetze zur politischen Verantwortlichkeit eingeführt werden, aufgrund derer jeder gewählte Repräsentant, der seine Wahlversprechen nicht einhält, den Verlust seiner Immunität, seine Absetzung oder ein politisches Gerichtsverfahren riskiert. Denn die andere, augenblicklich praktizierte Variante, in der Einzelne oder Parteien, die ihre Wahlversprechen nicht einhalten, bei den nächsten Wahlen einen Denkzettel erhalten, verhindert in keiner Weise den beschriebenen zweiten Vorgang des Verrats an ihren Wählern.

 


Antworten auf die Krise der Demokratie

 

Bezüglich sog. Bürgerbefragungen zu dringenden Themen gibt es tagtäglich mehr technische Möglichkeiten für ihre Umsetzung. Wir beziehen uns dabei nicht auf manipulierte Meinungsumfragen, sondern darauf, mittels hochmoderner, elektronischer und computergesteuerter Mittel die direkte Beteiligung und Stimmabgabe zu erleichtern.

In einer realen Demokratie muss die Repräsentativität der Minderheiten garantiert sein. Darüber hinaus muß jedes Hilfsmittel genutzt werden, das ihre Eingliederung und Entfaltung in der Praxis fördert. Heutzutage müssen die durch den Fremdenhaß und die Diskriminierung bedrängten Minderheiten ängstlich um ihre Anerkennung bitten. In diesem Sinne liegt es in der Verantwortung aller Humanisten, diesem Thema Priorität einzuräumen und überall dort, wo es notwendig ist, Front gegen offene oder verdeckte neofaschistische Strömungen zu machen. Denn für die Rechte der Minderheiten zu kämpfen bedeutet, für die Rechte aller Menschen zu kämpfen.

 

 

Das gleiche geschieht beim Zusammenschluß von Provinzen, Regionen oder autonomen Gebieten zu einem Land, wo einige von ihnen die gleiche Diskriminierung durch einen zentralistischen Staat erleiden, der heute ein unsensibles Instrument in den Händen des Großkapitals geworden ist. Um dem entgegenzuwirken, muss eine föderative Organisation aufgebaut werden, bei der die reale politische Macht in die Hände historischer und kultureller Körperschaften zurückgegeben wird.

Den Themen Kapital, Arbeit und reale Demokratie sowie dem Ziel der Dezentralisierung des Staatsapparates Priorität zu verleihen, bedeutet letzten Endes, den Weg des politischen Kampfes zur Schaffung einer neuen Art von Gesellschaft einzuschlagen: einer flexiblen Gesellschaft, die konstant in Veränderungen begriffen ist, entsprechend den dynamischen Bedürfnissen der Völker, die heutzutage durch die Abhängigkeit erstickt werden.

 

mehr zu diesem Thema:

 

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"EXPERIMENT DEMOKRATIE II"

findet statt, Ende Oktober 2004 (Datum bitte erfragen!)

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Venloer Str. 429 (U-Bahn 3, 4, 13, Haltestelle "Venloer Str. / Gürtel")

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